von Dr. Thomas Klebe

Im Mai haben wir Euch gefragt, was Ihr Euch von einem reformierten BetrVG wünscht. Viele haben uns geschrieben, dass es die Möglichkeit geben sollte, Betriebsversammlungen dauerhaft digital oder hybrid stattfinden zu lassen. Wir ziehen eine Zwischenbilanz.

Am 24.11.22 haben „Arbeit und Recht“ und der DGB einen Blog zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes geschaltet. Ziel war und ist es, eine möglichst lebhafte Debatte zum DGB-Entwurf „Betriebliche Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert“ zu führen. Denn, es ist ein Entwurf, der sich an den Ideen und Anmerkungen aus den Betrieben, Verwaltungen, der Wissenschaft und der Richterschaft messen lassen muss.

Seit November haben uns gerade aus betrieblicher Perspektive, aus der Perspektive von Anwendern, viele gute Bewertungen und Anregungen erreicht. Wie angekündigt wollen wir mit Stand 30.6.2023 eine Zwischenbilanz ziehen.

Betriebsversammlungen

Hier ist die Diskussion bei unserer Meldung “Ein BetrVG für die Zukunft: Was fordert ihr?” besonders lebhaft. Das ist leicht nachvollziehbar, geht es doch um eine wesentliche Möglichkeit für Betriebsräte und Gewerkschaften, Kontakt und Austausch mit den Beschäftigten zu haben, sie zu informieren, ihre Meinung zu hören, sie zu beteiligen. „Virtuell oder in Präsens?“, Michael Bolte hat es in seinem Beitrag Mitte März auf den Nenner gebracht, beide Varianten haben ihre Vorteile. Diese Bewertung zieht sich durch alle Beiträge. Die virtuelle Betriebsversammlung hat weniger Organisationsaufwand und erreicht mehr Beschäftigte, insbesondere die im Homeoffice und in den Außendiensten. Oder wie ein Beitrag formuliert: Die Beteiligung ist um ein Vielfaches höher.

Die Betriebsversammlung in physischer Präsens hat die bessere Aufmerksamkeit der TeilnehmerInnen („Bessere Qualität des Zuhörens“) und vor allem auch eine ganz andere Emotionalität und Unmittelbarkeit für Arbeitgeber und Betriebsratsmitglieder. Ein Diskutant formuliert das so: Nur so bekommt man ein Gefühl dafür, wie die Belegschaft denkt. Oder wie kürzlich sogar ein Aktionärsvertreter für digitale Hauptversammlungen formulierte: Sie sind blutleer. Gerade in Situationen wie z.B. Kündigungen oder Betriebsstilllegungen gibt es kaum einen Ersatz für Präsens.

Die emotionalen Schwingungen, wenn persönliche Existenzen bedroht sind, möchte man keinem Arbeitgeber ersparen.

Beide Formen der Betriebsversammlung ermöglichen

Die Bandbreite der Betriebe von deutschlandweiten Filialen bis zum großen Produktionsbereichen erfordert Kompromisse.  Deshalb wird der Wunsch in der Diskussion deutlich, das BetrVG zu ändern und beide Formen der Betriebsversammlung zu ermöglichen. Der Betriebsrat über die Form und die Beschäftigten über die Teilnahme sollen darüber dann selbst entscheiden. Eine Antwort sieht der Entwurf mit 2 hybriden Versammlungen vor. Das wird nicht allen weit genug gehen, eben ein Kompromiss zwischen zwei richtigen Positionen.

Zudem stellt der Entwurf klar, auch das war ein Diskussionsbeitrag, dass der Betriebsrat jederzeit die Beschäftigten befragen kann, eine Möglichkeit, die schon am 8.2.1977 das BAG bejaht und das Sächsische LAG am 15.7.2022 bestätigt hat.

Schließlich noch ein Aspekt aus der Diskussion: Es gibt noch den Wunsch, Betriebsversammlungen variabler zu gestalten, also weniger als 4 pro Jahr durchzuführen. Vorsicht: Die Betriebsversammlung bleibt auch in hybrider Form das zentrale Kommunikationsmedium zwischen Beschäftigten und Betriebsrat. Deshalb sollte hier nichts geändert werden.