Bereits nach geltender Rechtslage kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge zur Beschäftigungssicherung machen. Das geltende Gesetz nennt auch Beispiele, welche Maßnahmen dies sein können. Der Gesetzesentwurf greift diesen Katalog auf und ändert den Fokus hin zu mehr Beschäftigtenschutz der bereits vorhandenen Belegschaft. Über die Umsetzung der Vorschläge soll im Streitfall die Einigungsstelle entscheiden.

von Dr. Till Bender

In seiner bisherigen Form nennt § 92a BetrVG eine Reihe von möglichen Beschäftigungssicherungen, die typischerweise eine Einschränkung bzw. Verzicht auf Seiten der einzelnen Beschäftigten bedeuten. Hierzu zählt Teilzeitarbeit, flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit sowie Änderung von Arbeitsorganisation, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen. Diese Maßnahmen sollen zukünftig nicht mehr als Regelbeispiele genannt werden. Anstelle der Formulierung „flexible Gestaltung der Arbeitszeit“ soll die Formulierung „Veränderung Arbeitszeit“ treten. Als weitere Maßnahme soll die Rückholung ausgelagerter Teil des Arbeitsprozesses ausdrücklich genannt werden. Bisher ist als Maßnahme lediglich die „Alternativen zur Ausgliederung“ genannt.

 

Neuer Fokus möglicher Maßnahmen

 

Da es sich bei den möglichen Maßnahmen nicht um einen abschließenden Katalog handelt, sondern lediglich um Regelbeispiele, steht es dem Betriebsrat nach wie vor frei, dem Arbeitgeber auch andere Vorschläge zur Beschäftigungssicherung zu unterbreiten. Die Stärke der geänderten Regelung besteht also darin, ihm diese nicht ausdrücklich nahezulegen, sondern weitere Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die für die Beschäftigten mit weniger Einbußen verbunden sind (§ 92a Abs. 1 BetrVG).

 

Dies gilt beispielhaft auch für den Bereich der Teilzeitarbeit, der früher als ein probates Mittel zur Beschäftigungssicherung angesehen wurde, indem vorhandene Tätigkeiten „fairer“ unter den Beschäftigten aufgeteilt werden sollte. Außer Betracht gelassen sind hier allerdings die negativen, für viele Beschäftigten zum Zeitpunkt der Arbeitszeitreduktion noch nicht absehbaren Folgen. Dies gilt beispielsweise für die (zwischenzeitlich allerdings entschärfte) sogenannte „Teilzeitfalle“ sowie geringere Leistungen bei Arbeitslosigkeit, langfristiger Krankheit und im Alter. Der Gesetzentwurf legt auf derartige Maßnahmen daher keinen Schwerpunkt mehr.

 

Arbeitgeber muss immer schriftlich begründen, warum er Vorschläge des Betriebsrats ablehnt

 

Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat gegenüber schriftlich zu begründen hat, wenn er die Vorschläge zur Beschäftigungssicherung für ungeeignet hält (§ 92a Abs. 2, S. 2 BetrVG-E). Nach bisheriger Rechtslage muss er das erst in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern (§ 92a Abs. 2, S. 2, 2 HS BetrVG). Dieser Schwellenwert ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Denn in den Fällen des § 92a geht es um gravierende Eingriffe für die Beschäftigten. Sie haben daher wenigstens Anspruch auf eine nachvollziehbare und schlüssige Begründung, deren schriftliche Abfassung auch dem Inhaber eines 7-Personen-Betriebes keine Schwierigkeiten machen dürfte (Däubler/Klebe/Wedde-Däubler, § 92a, Rn. 20).

 

Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass der Betriebsrat die Hilfe eines Sachverständigen hinzuziehen kann (§ 92a Abs. 2, S. 4 BetrVG-E).

 

Schließlich sieht der Entwurf die Möglichkeit des Betriebsrates vor, die Einigungsstelle anzurufen, sofern der Arbeitgeber die von ihm gemachten Vorschläge ganz oder teilweise abgelehnt hat (§ 92a Abs. 3 BetrVG-E). Diese entscheidet dann verbindlich, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen vorgenommen werden und wie ihre Durchführung zu kontrollieren ist. Um kleine und mittelständische Unternehmen nicht übermäßig zu belasten, nimmt der Gesetzentwurf inhabergeführte Unternehmen mit regelmäßig höchstens 100 Arbeitnehmer*innen von diesem neuen Tatbestand der echten Mitbestimmung aus (§ 92a Abs. 4 BetrVG-E). Damit knüpft er wiederum an den Schwellenwert des § 92a Abs. 2, S. 2, 2 HS BetrVG an.

 

Ausnahmen bei Mitbestimmung für inhabergeführte Unternehmen

 

Zur besseren Handhabbarkeit benennt der Gesetzentwurf drei Fallgestaltungen, in denen ein inhabergeführtes Unternehmen vorliegt (§ 92a Abs. 4 a) – c) BetrVG-E). Dies ist zum einen der Fall bei einzelkaufmännischen Unternehmen, sofern der Inhaber selbst wesentliche unternehmerische Entscheidungen trifft; zum anderen bei Gesellschaften, deren Anteilsrechte sich mehrheitlich im Eigentum einer natürlichen Person befinden sowie bei Gesellschaften, deren Anteilsrechte sich mehrheitlich im Eigentum einer Gruppe von Personen befinden, die untereinander verwandt sind im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 der Abgabenordnung.

 

Die derart gestärkte Rolle des Betriebsrats bei der Beschäftigungssicherung wird seiner tatsächlichen Bedeutung gerecht. Wenn es darum geht, wie im Betrieb Beschäftigung gesichert werden kann, verfügt er über erhebliches Know-how und spezifische Kenntnisse. Für die von ihm vertretenen Beschäftigten geht es in derartigen Situationen oft um ihren Arbeitsplatz, sodass es nicht ausreicht, dem Betriebsrat hier lediglich die Möglichkeit einzuräumen, Vorschläge zu machen, die der Arbeitgeber in vielen Fällen nicht einmal schriftlich ablehnen muss. Die Einigungsstelle ist daher die geeignete Institution, unter Begutachtung der berechtigten Interessen der Beschäftigten, wie auch des Arbeitgebers, zu tragfähigen Lösungen zu gelangen.

 

Den berechtigten Interessen inhabergeführter Unternehmen trägt die Ausnahmevorschrift des Abs. 4 hinreichend Rechnung. Durch die genannten Fallgruppen ist die Ausnahme zudem hinreichend bestimmt und abgrenzbar.