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Sie sind auf der Seite des AuR-Blogs gelandet. Hier diskutieren wir den Gesetzentwurf des Deutschen Gewerkschaftsbundes für ein neues Betriebsverfassungsgesetz.

„Betriebliche Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert“

Den Gesetzentwurf „Betriebliche Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert“ hat eine Gruppe von Wissenschaftler*innen und Gewerkschafter*innen unter der Leitung von Dr. Thomas Klebe auf Initiative des damaligen DGB-Vorsitzenden Reiner Hofmann erarbeitet. Im Blog stellen wir den Gesetzentwurf ausführlich dar und laden zur Diskussion ein.

Dabei interessieren wir uns nicht nur für die Meinung der Fachleute aus Wissenschaft, Justiz, Anwaltschaft und Verbänden. Ebenso willkommen und erwünscht sind Beiträge aus der betrieblichen Praxis, der Politik und anderen wissenschaftlichen Disziplinen, die den Diskurs befruchten.

Betriebsräte in Zeiten von Digitalisierung und Transformation

Die letzte grundlegende Reform der betrieblichen Mitbestimmung ist 50 Jahre alt. Damals war die Welt eine andere. Die Rahmenbedingungen für Betriebsräte haben sich fundamental verändert: Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Plattformökonomie und Transformation vor dem Hintergrund der Erhaltung der Umwelt stellen die Interessenvertreter der Arbeitnehmer*innen vor erhebliche Herausforderungen.

Hinzu kommt der zunehmende Wunsch nach „Work-Life-Balance“, die Gleichstellung der Geschlechter und die Gleichberechtigung von Menschen mit Migrationsgeschichte. Beschäftigung und Qualifizierung, Arbeitszeit und Arbeitsweise, der Arbeits- und Gesundheitsschutz, Datenschutz und Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten, Fragen der Umwelt und der Produktionsweise sowie Gleichstellungsfragen stellen sich damit neu.

Die betriebliche Mitbestimmung stellt sicher, dass die Beschäftigten mitwirken können und nicht einfach über sie verfügt wird. Das geschieht im Betrieb vor allem durch Betriebsräte. Dieser Schutz für die Beschäftigten, die demokratische Teilhabe und damit Eingrenzung der Arbeitgeberbefugnisse ist unverzichtbar.

Gesetzentwurf des DGB stärkt Mitbestimmung

Dies ist gegenwärtig nicht gewährleistet. Betriebsräte müssen bei zentralen Themen ein echtes Mitbestimmungsrecht haben und nicht nur – wie bisher – Informations- und Beratungsrechte. Nur so können betriebliche Umbrüche sozial gestaltet und so gesellschaftliche Zerreißproben vermieden werden. Denn wenn Beschäftigte betriebliche Demokratie erleben, haben sie auch ein positives Verhältnis zur Demokratie insgesamt.

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat an der Situation wenig geändert. Auch der aktuelle Koalitionsvertrag will die Mitbestimmung nur ganz allgemein weiterentwickeln und das Betriebsrätemodernisierungsgesetz evaluieren. Wenigstens sollen die Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zum Betriebe erhalten und Betriebsratsbekämpfung soll künftig auch ohne Strafantrag verfolgt werden.

Dem DGB und seinen Einzelgewerkschaften gehen solche minimalinvasiven Eingriffe nicht weit genug. Er hat daher einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die betriebliche Welt von heute und morgen im Blick hat. In diesem Blog stellen wir ihn vor und diskutieren ausgewählte Themen.

Digitalisierung und Transformation der Betriebe

Der erste große Themenblock betrifft die Themen Digitalisierung und Transformation. Beide verändern die Arbeitswelt fundamental. Deshalb braucht es Zukunfts- und Weiterbildungsstrategien, wenn es geht um die Zukunft der Beschäftigten.

Betriebsräte und Gewerkschaften müssen Treiber einer positiven Entwicklung werden. Der Betriebsrat muss in strategischen Fragen auf Augenhöhe mitentscheiden.

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Gleichstellung, Gleichberechtigung und Antidiskriminierung

Die Frage der Gleichstellung der Geschlechter ist leider auch im Jahr 2022 offen und bildet daher den dritten Themenkomplex. Positive Entwicklungen beim Entgelt, bei Karrierechancen und sonstigen Arbeitsbedingungen vollziehen sich im Schneckentempo.

Ähnliches gilt bei der Gleichberechtigung ausländischer Beschäftigter und der Bekämpfung jeglicher Form von Diskriminierung. Deshalb sollen die Organisationsvorschriften im Betriebsverfassungsgesetz und die Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte deutlich verbessert werden. Denn die bisher bestehenden Informations- und Beratungsrechte reichen offensichtlich nicht aus.

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Erleichterung der Betriebsratswahlen

Schließlich muss auch die Wahl – das Herzstück jeder Demokratie – erheblich reformiert und für die Beschäftigten erleichtert werden. Denn bisher werden nur 39 % der Beschäftigten in Westdeutschland und ganze 34 % in Ostdeutschland von einem Betriebsrat vertreten. Ein Grund dafür ist, dass jede sechste Neuwahl von Arbeitgebern behindert wird.

Viele Wahlinitiator*innen riskieren ihren Arbeitsplatz und damit ihre finanzielle Grundlage. Sie müssen besser bei der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte geschützt und die Wahlen insgesamt erleichtert werden. Die Behinderung von Wahlen muss zum Offizialdelikt werden.

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Stärkung der Demokratie im Betrieb

Ein weiterer Themenkomplex betrifft die Stärkung individueller Rechte auf Partizipation. Beschäftigte sind mündige Bürger*innen, die ihre Eigenverantwortlichkeit und ihr Recht auf Selbstbestimmung nicht „am Werkstor“ abgeben.

Der Entwurf sieht beispielsweise vor, dass Beschäftigte eine Stunde in der Woche von ihrer Arbeit freigestellt werden, um ihre Beteiligungsrechte wahrzunehmen und ihre betriebliche Situation zu erörtern.

Gleichzeitig muss die Möglichkeiten bestehen, sich an betrieblichen Prozessen zu beteiligen und das Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben. Hier sieht der Entwurf Verbesserungen vor.

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Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften

Die existenzielle Zukunftsfrage der Menschheit ist die Abwendung der globalen Klimakatastrophe. Deshalb haben nachhaltige Produktionsverfahren heute einen herausragenden Stellenwert. Er bietet daher auch hier einen eigenen Themenkomplex.

Die Handlungsmöglichkeiten der Betriebsräte stehen allerdings im Kontrast zu der Bedeutung dieser Frage: Das Betriebsverfassungsgesetz sieht bisher nur Beteiligungsrechte unterhalb der Mitbestimmung für Betriebsrat vor.

Dies wird dem Engagement und den Möglichkeiten von Betriebsräten nicht gerecht. Deshalb sieht der Entwurf ein Mitbestimmungsrecht für Maßnahmen vor, die geeignet sind, dem Umwelt- und Klimaschutz zu dienen.

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Verbesserung der Arbeitsgrundlagen von Betriebsräten

In diesem Zusammenhang ist auch die Verbesserung der Arbeitsgrundlagen von Betriebsräten zu sehen, die einen weiteren Themenkomplex bilden. Denn die Arbeit von Betriebsräten ist in den letzten Jahren umfangreicher und anspruchsvoller geworden.

Ihre Arbeitsgrundlage muss diesen Gegebenheiten angepasst werden. Künftig soll es bereits ab 100 Beschäftigten eine vollständige Freistellung für ein Betriebsratsmitglied geben. Betriebliche und externe Sachverständige soll der Betriebsrat einfacher hinzuziehen können.

Außerdem sieht der Entwurf für Betriebsratsmitglieder einen besseren Tätigkeitsschutz, eine leichtere Durchsetzung ihre Rechte und eine angemessene Vergütung vor. Der Arbeitgeber soll die Arbeit der Betriebsräte auch nicht dadurch erschweren können, dass er Betriebe willkürlich neu strukturiert.

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Internationalisierung der Konzerne

Ein weiteres Megathema und daher auch ein separater Themenkomplex ist die Internationalisierung. In Zeiten der Globalisierung denken und handeln Konzerne zunehmend grenzüberschreitend. Dabei zwingen sie Standorte weltweit in Unterbietungswettbewerbe, wie etwa die von Ford Europe geschaffene existenzielle Konkurrenz zwischen den Werken in Valencia und Saarlouis aktuell wieder belegt.

Europäische Betriebsräte sind als Antwort hierauf nicht ausreichend vorbereitet. Der Entwurf sieht daher vor, dass sich die Beschäftigten und ihre Betriebsräte international besser abstimmen, damit sie nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden.

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