Nachdem wir bereits Eure Rückmeldungen zu den Themen Betriebsversammlung und Betriebsratsvergütung unter die Lupe genommen haben, geht es heute um die Sitzungen des Betriebsrats. Auch hier gab es viel wertvolles Feedback, wo beim BetrVG Modernisierungsbedarf gesehen wird.
Bei der Betriebsratssitzung ist es vor allem der unterstellte Vorrang der Präsenzsitzungen, der Diskussionsbedarf auslöst. Nach dem Ende der Sonderregelungen während der Covid19-Pandemie ist die BR-Sitzung als Video- und Telefonkonferenz zwar nicht verschwunden, das aktuell gültige nach Corona geänderte BetrVG schränkt diese Art der BR-Sitzung aber tatsächlich etwas ein: §30 BetrVG legt fest, das Präsenzsitzungen der Regelfall sind, virtuelle Sitzungen vom Betriebsrat aber selbst in seiner Geschäftsordnung geregelt werden können, wobei ein Minderheitenschutz vorgesehen ist: Wenn ein Viertel der Mitglieder eine Präsenzsitzung für erforderlich hält, findet diese statt. Das heißt, der Betriebsrat hat jederzeit die Möglichkeit, die geeignete Sitzungsform festzulegen. Die Regelung in der Geschäftsordnung sollte eher Routine sein, der Minderheitenschutz sollte nicht gering bewertet werden, wenn ein Viertel der Mitglieder den persönlichen Austausch für wichtig hält.
Kritik an Präsenzsitzungen
Neben der grundsätzlichen Einschätzung, dass dieses (angebliche) Beharren auf der Präsenzsitzung nicht mehr zeitgemäß ist, gab es viele konkrete Beispiele, warum das die Arbeit von Betriebsräten erschwert.
- Die aktuelle Regelung schränke für Betriebsratsmitglieder die Teilnahme an Mobiler Arbeit und Home Office teilweise ein.
- Bei Firmen mit mehreren Standorten seien die Mitglieder mitunter gezwungen, auch für kurze Sitzungen längere Reisen und Übernachtungen auf sich zu nehmen.
- Diese Einschränkungen machten die Suche nach Kandidaten für das Ehrenamt schwieriger, da die Arbeit im Betriebsrat zusätzlich als unflexibel und unattraktiv wahrgenommen wird.
Daher besteht der Wunsch, dass Präsenzsitzung, virtuelle und hybride Sitzung als gleichwertig angesehen werden sollen. Die Entscheidung über die Sitzungsform sollte dem Gremium überlassen werden.
Die gesetzliche Regelung, die der Reformvorschlag nicht geändert hat, berücksichtigt dies, indem alle Sitzungsformen grundsätzlich möglich sind. Der Betriebsrat entscheidet selbst und ist nicht gehindert, die geeignete Sitzungsform auszuwählen, wenn er die genannten zwei Voraussetzungen erfüllt hat. Dieser Kompromiss hat mehrere gute Gründe, z.B. auch den, dass hier anderenfalls Druckpotenzial seitens des Arbeitgebers entstehen kann: Betriebsräte könnten gedrängt werden, Ihre Sitzungen virtuell durchzuführen. Besonders bei Gesamt- und Konzernbetriebsräten wäre es für Arbeitgeber natürlich viel attraktiver, die GBR/KBR-Sitzungen virtuell zu veranstalten, da dadurch zeit- und kostenintensive Reisen entfallen. Hier könnte also Druck aufgebaut werden, der dann die freie Entscheidung des Gremiums untergräbt. Und vor allem: Eine effektive Interessenvertretung im Betrieb braucht den persönlichen Austausch unter den BR-Mitgliedern – das gilt vor allem auch für KBR- und GBR-Mitglieder, deren Treffen ja nicht so häufig sind wie die des BR vor Ort.
Protokoll in Papierform nicht mehr zeitgemäß
Zu jeder Betriebsratssitzung gehört ein Protokoll – so ist es im §34 BetrVG geregelt. Aber warum muss dieses Protokoll und die Anwesenheitsliste in der heutigen Zeit eigenhändig unterschrieben werden? Das papierlose Büro ist mit dem aktuellen BetrVG im Betriebsratsbüro unmöglich.
Auch die im Gesetz geforderte Möglichkeit, “die Unterlagen des Betriebsrats und seiner Ausschüsse jederzeit einzusehen” wird durch die Papierform eher erschwert. Digitale Protokolle könnten auch aus dem Home Office eingesehen werden.
Ein modernes BetrVG müsste also die Bedingungen definieren, unter denen Protokolle rein digital archiviert werden können und so eine rechtssichere digitale Protokollführung ermöglichen.
Digitale Protokollführung war bisher noch nicht Teil der Überlegungen zum Reformentwurf – vielen Dank für den Hinweis. Das Thema wird bei der Weiterentwicklung des Reformvorschlags diskutiert.
Auch ich möchte eine Lanze für die virtuellen Sitzungen brechen. Über die Sitzungsform sollte allein das Gremium entscheiden. Wir sind ein Betrieb mit zwei Standorten. Wir haben viele Angestellte, die auch auf Dienstreisen sind und auch schichtarbeitende BR-Mitglieder. Die virtuelle Teilnahme an BR- oder Ausschusssitzungen kommt allen zu Gute, da sich unsere BR häufig an den verschiedensten Orten befinden und unterschiedliche Arbeitszeiten haben. BR-Sitzungen machen wir überwiegend in Präsenz, aber gerade die Ausschüsse wollen wir eigentlich komplett virtuell machen, da es den Aufwand auch für die BR-Mitglieder enorm senkt. Mobil mal schnell für eine Sitzung online zuschalten können, erhöht die Teilnahmequote enorm. Man darf nicht immer nur die möglichen Vorteile des AG betrachten. Auch die BR-Mitglieder sparen sich wertvolle (Frei-)Zeit. Wir müssen hier dringend mit der Zeit gehen.
Wir (Fa. Freudenberg Performance Materials Apparel GmbH & Co. KG, Weinheim) diskutieren heftig über die Möglichkeit der Durchführung von Hybrid-Betriebsveranstaltungen (Präsenz/Online). Wie ist denn der Stand des Reformvorschlags des §§42 BetrVG?
” (3) Die Teilnahme an Versammlungen gemäß Absatz 1 und 2 kann nach Beschluss des Betriebsrats zusätzlich mittels Videokonferenz erfolgen. Eine Durchführung der Versammlungen ausschließlich mittels Videokonferenz ist unzulässig. Im Kalenderjahr müssen mindestens zwei Betriebsversammlungen ausschließlich in Präsenz durchgeführt werden. Es ist sicherzustellen, dass Dritte vom Inhalt der Versammlung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung der Versammlung ist unzulässig. Die Entscheidung über die Form der Teilnahme obliegt dem Arbeitnehmer*der Arbeitnehmerin und kann vom Arbeitgeber nicht angeordnet werden. “