Heute konstituiert sich der Beirat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zum Thema Vielfalt im Betrieb haben auch der DGB und seine Einzelgewerkschaften konkrete Vorstellungen.
von Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall
Wir setzen uns für Vielfalt und Demokratie ein – und das gemeinsam mit dem DGB und mit vielen Menschen aus der Gesellschaft. Wir sprechen uns mit Nachdruck für bessere Teilhabe und die Wahrnehmung von Bürger*innenrechten in Betrieben aus.
Betriebliche Mitbestimmung ist wichtig für die Demokratie in Deutschland
Denn so hat zum Beispiel die Leipziger Autoritarismus-Studie, die Ende 2020 veröffentlicht wurde, gezeigt: wer im Arbeitsleben die Erfahrung macht, Einfluss nehmen zu können, beteiligt zu werden, Anerkennung und Solidarität erfährt, ist weniger anfällig dafür, andere Menschen abzuwerten und bewertet die Demokratie positiver.
Das geltende Betriebsverfassungsgesetz sollte auch vor diesem Hintergrund mehr Aufmerksamkeit erfahren, denn es braucht mehr Mitbestimmung für mehr Menschen. Gemeinsam mit dem DGB haben wir das Betriebsverfassungsgesetz bereits weiterentwickelt. Bei dem dringend nötigen Update geht es im Kern um mehr betriebliche Mitbestimmung, die wichtig für die Demokratie in Deutschland ist.
Der DGB-Reformentwurf für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz sieht unter anderem vor, die Rechte der Betriebsräte zu stärken, damit diese wirksamer gegen Diskriminierung vorgehen können.
Mitbestimmung vor dem Hintergrund vielfältiger Arbeits- und Lebensrealitäten
Wenn sich an diesem Montag der Beirats der Antidiskriminierungsstelle des Bundes konstituiert, freuen wir uns gemeinsam mit dem DGB, dort zu unseren antidiskriminierungsrechtlichen und antidiskriminierungspolitischen Themen vertreten zu sein. Denn was zählt ist das Mitreden und Mitbestimmen der Beschäftigten vor dem Hintergrund vielfältiger Arbeits- und Lebensrealitäten.
Im Zuge der sozial-ökologischen Transformation, der Digitalisierung und den Folgen des Klimawandels geht es noch einmal mehr um zum Beispiel spezifische Weiterbildungsbedarfe, Diskriminierung durch die Anwendung von Algorithmen und die Fragen der Arbeitskräftesicherung in den Betrieben und auf dem Arbeitsmarkt. Wird hier Vielfalt berücksichtigt bzw. soll sie gefördert werden? Können die Kolleg*innen selbst mitreden und mitbestimmen?
Wie wirkt es sich aus, dass migrantische Arbeitnehmer*innen immer noch zu häufig überproportional prekär bzw. im schlecht bezahlten und abgesicherten Segment des Arbeitsmarktes beschäftigt sind? Wie kann das Thema Entgeltgleichheit wirkungsvoll vorangetrieben werden? Wird die Gestaltung von Arbeitsplätzen aus Perspektiven von älteren Arbeitnehmer*innen und Menschen mit Behinderung bedacht?
Arbeitgeber müssen sich zu mehr Vielfalt verpflichten
Mit dem Reformentwurf für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz machen wir einen ersten Aufschlag für eine vielfältigere Mitbestimmung. 1972 wurde durch die Reform des Gesetzes auf betrieblicher Ebene ermöglicht, dass alle Beschäftigten unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit an Wahlen teilnehmen und als Betriebsrat kandidieren können. Das Betriebsverfassungsgesetz macht beim Wahlrecht keine Unterschiede und ist damit gesellschaftlichen Entwicklungen voraus.
Es braucht ein starkes Kollektiv und Commitment, um Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsrecht durchzusetzen. Einzelne können diskriminierende Strukturen nur schwer durchbrechen. Der Fortschritt im Kontext der Vielfalt darf keine Schnecke bleiben. Geschlechtergerechtigkeit und Antidiskriminierung müssen aktiv gestaltet werden können.
Arbeitgeber müssen stärker als bisher in die Pflicht genommen werden können, sich zu Vielfalt zu verpflichten und darüber zu berichten. Der Reformentwurf sieht deshalb ein Initiativ- und Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zur Herstellung von Entgeltgerechtigkeit vor, § 87 Abs. 1 Nr. 10a. In Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten sind Gleichstellungsausschüsse zu bilden, § 28 Abs. 3. Zudem soll der Arbeitgeber regelmäßig über den Stand der Gleichstellung berichten, § 43 Abs. 2.
Mitbestimmung bei der Personalplanung sichert Vielfalt
Im Hinblick auf Digitalisierung und Transformation ist eins besonders wichtig: Die bisherigen Rechte des Betriebsrats auf Information und Beratung bei der Personalplanung müssen weiterentwickelt werden. Vorgesehen ist daher, dass in einem Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmer*innen die Personalplanung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.
Dies gilt unabhängig von der Unternehmensgröße auch für die Eingliederung von Menschen mit Schwerbehinderung, für Maßnahmen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter, zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und der Gleichberechtigung ausländischer Beschäftigter im Betrieb gelten, § 92 Abs. 3. § 92a Abs. 2 wird vom Vorschlags- und Beratungsrecht zum Mitbestimmungsrecht ausgebaut.
Lehnt der Arbeitgeber Vorschläge zur Beschäftigungssicherung (teilweise) ab, kann die Einigungsstelle verbindlich entscheiden. Zur Integration von Beschäftigten gehört neben den klaren Grundsätzen aus § 75 hinsichtlich der Ungleichbehandlungen von Betriebsangehörigen aus ethnischen Gründen und der Hautfarbe auch die Einfügung der Kategorie Sprache.
Ziel ist die Teilhabe im Betrieb für alle Beschäftigten
Hervorzuheben ist ebenso die Ersetzung des Begriffs der sog. Rasse zu „aus rassistischen Gründen“ sowie die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit. An einigen Stellen braucht das Betriebsverfassungsgesetz allerdings aus migrationspolitischer Sicht ein sprachliches Update. So verwendet es immer noch den Begriff „Ausländer“. Es sollte überprüft werden, an welchen Stellen der Begriff aus juristischen Gründen verwendet noch werden muss. Dort wo mit „Ausländer“ Menschen mit Migrationshintergrund gemeint sind, sollte dieser auch genutzt werden. Wohlwissend, dass auch dieser Begriff umstritten ist und vermutlich irgendwann weiterentwickelt wird.
Wir hoffen, dass über die notwendigen Änderungen Betriebsverfassungsgesetz auch die im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigte Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorangetrieben und umgesetzt wird. Unsere gemeinsamen Forderungen haben wir auf den Tisch gelegt.
Gemeinsam mit Betriebsräten in Verbindung mit unserem neu formulierten § 80 Abs. 1 Ziffer 1 und einem reformierten AGG lässt sich dann in Zukunft noch besser umsetzen, was noch nicht in allen Betrieben gelebt wird: eine selbstverständliche Teilhabe in einer heterogenen, geschlechtlich, sexuell, kulturell und religiös vielfältigen Belegschaft in sämtlichen Betrieben, die nicht erst verhandelt werden muss.
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