Das Thema Integration hat bei zu wenigen Betriebsräten einen angemessenen Stellenwert. Der Gesetzentwurf des DGB geht in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Notwendig ist ein echtes Mitbestimmungsrecht, damit Betriebsräte beispielsweise bei Sprachkursen auf Augenhöhe mitentscheiden können.

 

René Kluge, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Susanne Ferschl, MdB (Die Linke)

 

Seit 1972 haben ausländische Arbeitnehmerinnen aktives und passives Wahlrecht bei Betriebsratswahlen. Es ist wichtig, sie in die demokratische Mitbestimmung zu integrieren, da etwa 10 Millionen Menschen in Deutschland aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht an Bundestagswahlen teilnehmen können. Für sie ist es umso bedeutender, im Betrieb beteiligt zu sein und ihren Betriebsrat mit zu wählen oder selbst zu kandidieren. Allerdings reicht es nicht aus, die Beteiligung nur formell zu ermöglichen.

 

Betriebliche Gleichberechtigung bleibt uneingelöstes Versprechen

 

Mehr als 50 Jahre nach der Reform sind Ausländer*innen unter den BR-Mitgliedern weiterhin unterrepräsentiert: Sie stellen nur knapp 10 % aller BR-Mitglieder, bei einem Anteil unter den Beschäftigten von ca. 15 % (Interne Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung aus der WSI-Betriebsrätebefragung 2016). Eine Repräsentationslücke, die es zu schließen gilt.

 

Während der Anteil ausländischer Beschäftigter in Deutschland steigt, bleibt die vollständige betriebliche Gleichberechtigung ein uneingelöstes Versprechen. In manchen Branchen entsteht mittlerweile auch die umgekehrte Dynamiken und es sind deutsche Kolleg*innen, die an ihrem Arbeitsplatz mit anderen Betriebskulturen und Englisch als Betriebssprache konfrontiert werden.

 

Der DGB-Entwurf zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes nimmt dieses Problem ernst und beinhaltet konkrete Reformmaßnahmen. Die Diskriminierungstatbestände aus § 75 BetrVG sollen sinnvoll erweitert werden und z.B. auch Sprache sowie die ethnische, soziale oder regionale Herkunft beinhalten. Besonders ein neues, zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Personalplanung nach § 92 BetrVG hätte ganz erhebliche, positive Auswirkungen auf die betriebliche Praxis.

 

Mit echter Mitbestimmung kann Integration gelingen

 

Aber warum sollte man nicht noch einen Schritt weiter gehen und ein explizites, zwingendes Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen der Integration und Gleichstellung fordern?

 

Eine Reihe von denkbaren und sinnvollen betrieblichen Leistungen und Maßnahmen wie die Einrichtung von Sprachkursen sowohl für Deutsch als auch für andere Sprachen im Betrieb, betriebliche Unterstützung bei der Anerkennung ausländischer Zeugnisse, die Einführung von Sensibilitätstrainings für alle Beschäftigen und Führungskräfte, die Einrichtung von Gebetsräumen und anderes.

 

Diese Dinge sind bisher nicht oder zumindest nicht explizit von bestehenden oder geforderten zwingenden Mitbestimmungsrechten abgedeckt. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Die betrieblichen Konstellationen und gelebten Betriebskulturen sind unterschiedlich, daher muss jeder Betriebsrat für seinen Betrieb und seine Belegschaft die passenden Instrumente finden, die vor Ort nicht nur für formale, sondern auch für tatsächliche Gleichberechtigung und ein diskriminierungsfreies Betriebsklima sorgen.

 

Integration gehört auf die Tagesordnung der Betriebsräte

 

Die Aufnahme eines solchen Mitbestimmungsrechts in den prominenten Katalog der sozialen Angelegenheiten aus § 87 BetrVG hätte den Effekt, das Thema bei Betriebsräten auf die Tagesordnungen zu setzen.

 

Bisher beschäftigen sich noch zu wenige Gremien aktiv mit diesen Fragen. Unter den Themen der BR-Arbeit aus der oben genannten WSI-Betriebsrätebefragung 2016 belegte das Thema Migrant*innen mit gerade mal 20 % der Gremien, die sich damit beschäftigen, nur einen der hinteren Plätze.

 

Was vielleicht auch verständlich ist, schließlich verweigert ihnen der Gesetzgeber die zwingenden Mitbestimmung in diesem Bereich. Es ist jedoch paradox, dass Betriebsräte in § 80 BetrVG allgemeine Aufgaben zugewiesen bekommen, aber in vielen Fragen die entsprechenden Rechte fehlen, um diesen Aufgaben nachkommen zu können.

 

Integration betrifft nicht nur Herkunft und Staatsbürgerschaft

 

Eine Reform der Betriebsverfassung muss auch darauf abzielen, die Praxis der Betriebsräte zu ändern. Die Sichtbarkeit eines solchen Themas innerhalb der Struktur des BetrVG ist daher nicht nur von symbolischer Bedeutung.

 

Zudem muss man sich klar machen, dass Trennung, Desintegration und Diskriminierung innerhalb von Betrieben und Belegschaften nicht nur entlang von Staatsbürgerschaft und Herkunft verlaufen, sondern auch durch verschiedene Anstellungs- und Beschäftigungsformen sowie Arbeitsorte wie Homeoffice oder Präsenz, Büro oder Fertigung beeinflusst werden.

 

Der DGB-Entwurf ist sich dieses Problems bewusst und fordert beispielsweise in § 80 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine entsprechende Ausweitung der allgemeinen Aufgaben. Jedoch stellt sich auch hier die Frage, ob ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nicht die konsequentere Lösung wäre.