Interview mit Dr. Thomas Klebe

Ihr habt kein explizites Mitbestimmungsrecht beim Einsatz von KI vorgesehen, stattdessen vielfältige Einzeltatbestände eingefügt. Ist das richtig?

 

Ja, das stimmt. Es gibt bis heute noch keine Definition des Gesetzgebers für KI. Bereits heute bestehen aber verschiedene Mitbestimmungsrechte bei den verschiedenen Anwendungen, die wir KI zuordnen: z.B. nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn personenbeziehbare Daten verarbeitet werden, bei der Beschäftigungssicherung, wenn eine Betriebsänderung vorliegt (§ 111 Satz 3 Nr. 4 und 5), oder im Hinblick auf die Qualifizierung von Beschäftigten für den Umgang mit KI-Anwendungen und den Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Diese Rechte haben wir in unserem Entwurf deutlich ausgebaut.

Worum geht es dabei im Einzelnen?

 

Unser Vorschlag will den Betriebsräten bessere Rechte beim Schutz der Daten und der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten geben. Und er weitet ihre Rechte bei den strategischen Entscheidungen, auch bei der Einführung von neuen KI-Anwendungen, wie ChatGPT oder Metaverse, deutlich aus. ChatCPT wird z.B.  Auswirkungen in den indirekten Verwaltungsbereichen haben, wie in Rechts- oder Finanzabteilungen. Hier sollen die Rechte bei der Qualifizierung und der Beschäftigungssicherung verbessert werden. Darüber hinaus wollen wir die Arbeit für den Betriebsrat dadurch erleichtern, dass das Mitbestimmungsrecht auch Rahmenvereinbarungen und prozedurale Regelungen umfasst.

Was ist denn damit gemeint?

 

Wenn wir es mit selbstlernender KI zu tun haben, würde z.B. das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG praktisch im Sekundentakt bei jeder Veränderung neu entstehen. Das würde die Betriebsparteien natürlich völlig überfordern. Deshalb soll es nicht nur freiwillig, sondern auch vom Betriebsrat durchsetzbar sein, dass ein Prozess vereinbart wird, der z.B. mit einem Ampelsystem die Ausübung der Mitbestimmung vereinfacht.

 

Wird das denn ausreichen, um die sprunghaften Entwicklungen bei KI sozial zu regeln?

 

Nach dem jetzigen Erkenntnisstand gehen wir davon aus. Die bisherigen Anwendungen sind vor allem bei den Gestaltungsanforderungen, bei den Regelungsnotwendigkeiten, die ein Betriebsrat verfolgen muss, unterschiedlich. Aber wir sind offen für gute Ideen und auch eine Ergänzung unseres Entwurfs. Für die entsprechende Diskussion haben wir auch einen Blog  (aur-blog.eu) eingerichtet.

 

Du hast es vorhin schon angesprochen, dass der Reform-Entwurf die Mitbestimmung bei Maßnahmen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte vorsieht. Was ist konkret gemeint?

 

Hier geht es im Hinblick auf KI um rote Linien, die einerseits zwar der Gesetzgeber ziehen muss, wo aber auch betriebliche Konkretisierungen erforderlich sind. Es muss ebenso wie in der Privatgesellschaft unzulässig sein, dass von den Beschäftigten „vollständige“ Persönlichkeitsprofile erstellt werden oder die sozialen Beziehungen der Beschäftigten im Betrieb erfasst und dargestellt werden (Social-Graph-Systeme). Auch Daten zur Fitness oder der Stressanfälligkeit gehören nicht in die Verfügung des Arbeitgebers. Dies wird durch ein Mitbestimmungsrecht beim Datenschutz ergänzt, das auch ohne  IT-Anwendung eingreift und dem Betriebsrat eigene Initiativen für die Beschäftigten ermöglicht.

Wie soll die Qualifizierung der Beschäftigten im Bereich KI und Digitalisierung sichergestellt werden? Was habt Ihr da geplant?

 

Wie erwähnt, wollen wir hier die Mitbestimmung ausweiten. Der Betriebsrat soll generell ein Initiativrecht erhalten und nicht nur, wie bisher bei der Anpassungsqualifizierung. Damit müssen gegebenenfalls auch Regelungen durchgesetzt  werden können, die die Beschäftigten auf den Umgang und die Anwendung von KI vorbereiten.