Einführung mobiler Arbeit unterliegt derzeit noch nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Er hat entsprechend auch kein Initiativrecht. Lediglich in Krisensituationen kann sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein auf Einführung mobiler Arbeit gerichtetes Initiativrecht ergeben, wenn eine gesetzliche Vorschrift mobile Arbeit als Maßnahme des Gesundheitsschutzes vorsieht und dem Arbeitgeber einen Regelungsspielraum lässt. Der erste Referentenentwurf des „Mobile-Arbeit-Gesetz“ sah noch ein Mitbestimmungsrecht bei Ausgestaltung und Einführung mobiler Arbeit vor (vgl. Eylert, AuR 2022, 292, (298); Reinartz, NZA-RR 2021, 457, (468). Für solches Mitbestimmungsrecht sprechen – wie nachfolgend erörtert wird – gewichtige Gründe.

 

von Elisa Grote, Doktorandin an der Universität Konstanz und Promotionsstipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung

Abgrenzung zwischen Ausgestaltung und Einführung mobiler Arbeit

 

Zunächst würde die Abgrenzung zwischen Fragen der Ausgestaltung („wie“) und Fragen der Einführung mobiler Arbeit („ob“) entfallen. Dies betrifft insbesondere Regelungen zur Arbeitszeit wie beispielsweise die Festlegung von Präsenzzeiten. Dass der Gesetzgeber die Mitbestimmung bei mobiler Arbeit  auf die Ausgestaltung mobiler Arbeit beschränkt hat, wird von einigen Stimmen in der Literatur als systematisch und methodisch richtig beurteilt.

 

In der Praxis hätte dies den Vorteil, dass das „Auseinanderklamüsern“ spruchfähiger und nicht spruchfähiger Regelungsgegenstände zu mobiler Arbeit endgültig entfallen würde. Das würde idealerweise eine Beschleunigung und Vereinfachung des Mitbestimmungsverfahrens mit sich bringen.

 

Herstellung innerbetrieblicher Verteilungsgerechtigkeit und Transparenz

 

Dass der Mitbestimmungstatbestand zur Ausgestaltung mobiler Arbeit bzw. häuslicher Telearbeit, § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, zumindest auch dazu dient, die innerbetriebliche Verteilungsgerechtigkeit sicherzustellen, haben Stimmen in der Literatur bereits richtigerweise anerkannt (So zB. Eylert, der die Frage der Verteilungsgerechtigkeit als „klassisches Mitbestimmungsthema“ bezeichnet, siehe: Eylert, AuR 2022, 292, (302); Möllenkamp, DB 2021, 1198, (1202); ähnlich: Fitting, § 87 Rn. 582).

 

Ein sehr bedeutender Aspekt, vielleicht sogar der bedeutendste Aspekt in Bezug auf die Verteilungsgerechtigkeit, wird jedoch bei der aktuellen Rechtslage vernachlässigt. Zur innerbetrieblichen Verteilungsgerechtigkeit gehört nicht nur, unter welchen Modalitäten Arbeitnehmer*innen mobil arbeiten, sondern vor allem, wer die Möglichkeit zu mobiler Arbeit überhaupt hat. Bislang wurde häusliche Telearbeit überwiegend durch gut- und hochqualifizierte Angestellte, Führungspersonal sowie durch Beamte ab dem gehobenen Dienst ausgeübt. Zu diesem Ergebnis kamen Studien jedenfalls vor Beginn der Corona Pandemie (Brenke, DIW Wochenbericht Nr. 5 2016, S. 95).

 

Betriebsrat kann objektive Kriterien durchsetzen

 

So bleiben die Vorteile mobiler Arbeit, insbesondere die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, vielerorts ein Privileg der Gut- oder Hochqualifizierten. Auf individualrechtlicher Ebene besteht kein Rechts- oder Erörterungsanspruch. Deshalb sind Arbeitnehmer*innen auf subjektive Kriterien wie ihr eigenes Verhandlungsgeschick sowie die Unterstützung ihrer Vorgesetzten angewiesen, um mobil arbeiten zu dürfen. Mit einem Initiativrecht hinsichtlich der Einführung mobiler Arbeit könnte der Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung objektive Voraussetzungen festlegen.

 

Natürlich hilft dies nicht über den Umstand hinweg, dass mobile Arbeit für einige Arbeitnehmer*innen allein auf Grund der Art ihrer Tätigkeit ausgeschlossen ist. Sind allein objektive, transparente Kriterien entscheidend und werden diese für alle Arbeitnehmer*innen des Betriebs verbindlich unter Mitwirkung des Betriebsrats festgelegt, kann dies die Akzeptanz für die Verteilung dieser Möglichkeit insgesamt steigern und den Betriebsfrieden sicherstellen.

 

Dieser könnte dadurch gefährdet werden, wenn die Belegschaft in solche Arbeitnehmer*innen, die weiterhin ausschließlich in der Betriebsstätte des Arbeitgebers tätig werden (müssen) und solche, die ortsflexibel tätig werden, gespaltet wird. Betriebliche Regelungen können die Besonderheiten des Betriebs, zum Beispiel organisatorischer Art, berücksichtigen und die Eignung der Tätigkeit zur Grundvoraussetzung der Einräumung mobiler Arbeit machen.

 

Rechtmäßigkeit einer Erweiterung der Mitbestimmung auf die Einführung mobiler Arbeit

 

Dass der Gesetzgeber die Mitbestimmung bei mobiler Arbeit  auf die Ausgestaltung mobiler Arbeit beschränkt hat, wird von einigen Stimmen in der Literatur als systematisch und methodisch richtig beurteilt. Denn die Frage, ob und in welchem Umfang im Betrieb mobil gearbeitet wird, sei primär dem Individualarbeitsrecht zuzuordnen sei (Eylert, AuR 2022, 292 (298); Bayreuther, NZA 2021, 839 (840)).

 

Diese Annahme beruht zum einen darauf, dass es grundsätzlich der Befugnis der Arbeitgeber*innen unterliegt, den Arbeitsort festzulegen und nach billigem Ermessen durch Ausübung des Direktionsrechts zu ändern (BeckOK ArbR/Tillmanns, § 106 GewO Rn. 21). Würde man dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung mobiler Arbeit einräumen, so könnte dieser über die Einigungsstelle eine Änderung des Arbeitsortes – und damit, wenn der ganze Betrieb oder wesentliche Betriebsteile erfasst sind – eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG herbeiführen (Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, § 5 Rn. 571). Dies erscheint auf den ersten Blick recht drastisch.

 

Festlegung des Arbeitsorts als originäre Befugnis des Arbeitgebers?

 

Jedoch könnte man als „milderes Mittel“ ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung mobiler Arbeit ohne Initiativrecht statuieren. Der Betriebsrat könnte somit keine Änderung des Arbeitsortes (über die Einigungsstelle) durchsetzen. Das mit einer Erweiterung der Mitbestimmung angestrebte Ziel, die Gewährleistung von innerbetrieblicher Verteilungsgerechtigkeit, wäre wohl auch ohne Initiativrecht zu erreichen.

 

Allerdings ist auch zu bedenken, dass die Beendigung oder Einführung alternierender Telearbeit als beteiligungspflichtige Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 1 BetrVG qualifiziert wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mobile Arbeit über einen Monat ausgeübt wurde oder ausgeübt werden soll ( BAG 20.10.2021, 7 ABR 34/20, NZA 2022, 494 Rn. 22).

 

Arbeitgeber*innen dürfen nicht ins Homeoffice versetzen

 

Darüber hinaus wäre eine arbeitgeber*innenseitige Versetzung in mobile Arbeit, zumindest wenn auch die Privatwohnung der Arbeitnehmer*innen als möglicher Arbeitsort festgelegt wird („Homeoffice“), ohnehin unwirksam. Denn eine solche Versetzung beeinträchtigt die betroffenen Arbeitnehmer*innen ungerechtfertigt in ihrem Grundrecht aus Art. 13 GG (LAG Rheinland-Pfalz 17.12.2014 – 4 Sa 404/14, BeckRS 2015, 68467; LAG Berlin-Brandenburg 14.11.2018, 17 Sa 562/18, BeckRS 2018, 34001, Rn. 22 = AuR 2020, 484 (Leitsatz); Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (474 ff.).

 

Demnach liegt die originäre Befugnis zur Festlegung des Arbeitsortes bei den Arbeitgeber*innen. Allerdings wird diese Befugnis – insbesondere zur Änderung des Arbeitsortes – bereits nach aktueller Rechtslage durch Beteiligungsrechte des Betriebsrats und (Grund-)Rechte der Arbeitnehmer*innen begrenzt.

 

Ein auf Einführung mobiler Arbeit gerichtetes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats würde die Befugnis der Arbeitgeber*innen zur Festlegung des Arbeitsortes einschränken. Diese Befugnis wäre im Rahmen eines Mitbestimmungsverfahrens unter Mitwirkung des Betriebsrats auszuüben. Da im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens ausgewogene Lösungen gefunden werden können, in dem Interessen der Arbeitnehmer*innen und der Arbeitgeber*innen gleichermaßen Niederschlag finden, würden Arbeitgeber*innen durch ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung mobiler Arbeit nicht ungerechtfertigt in ihrem Recht auf unternehmerische (Gestaltungs-)Freiheit beeinträchtigt.

 

Erstreckt sich die Mitbestimmung auf eine Homeoffice-Pflicht?

 

Regelungen, die eine Verpflichtung zu mobiler Arbeit einführen, begegnen berechtigterweise erheblichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit. So verneinen Schulze/Simon (ArbRAktuell 2021, 119 (120)) ausdrücklich die Wirksamkeit einer entsprechenden Betriebsvereinbarung; zumindest Zweifel an der Wirksamkeit äußern Tödtmann ( Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, B. Rn. 137; Bertram/Falder/Walk ( Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, S. 44).

 

Ein Initiativrecht, das auf die Einführung mobiler Arbeit gerichtet ist, würde dem Betriebsrat den Abschluss solcher Regelungen ermöglichen. Betrachtet man die aktuelle Rechtslage, so könnte man sich fragen, ob die Betriebsparteien überhaupt dazu befugt sind, eine solche Verpflichtung zu regeln.

 

Da das BAG von einer „umfassenden Regelungskompetenz der Betriebsparteien“ zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen durch normativ wirkende Betriebsvereinbarung ausgeht, würde eine entsprechende Regelung der h. M. folgend zwar auf Ebene der Regelungsbefugnis noch standhalten (St. Rspr. zuletzt BAG 5.3.2013, 1 AZR 417/12, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 105 Rn. 23 = AuR 2013, 186 (Kurzwiedergabe), dazu Pionteck, AuR 2020, 254 ff.; BAG 24.4.2013, 7 AZR 523/11, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 63 Rn. 24, 26 = AuR 2013, 372 (red. Leitsatz).)

 

Arbeitnehmer*innen haben keine Pflicht zum Homeoffice

 

Jedenfalls auf Ebene der Verhältnismäßigkeit muss eine Verpflichtung zu mobiler Arbeit durch Betriebsvereinbarung jedoch an § 75 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BetrVG scheitern. Ebenso Eylert, der die Einführung von Homeoffice entgegen einem Willen der betroffenen Arbeitnehmer*innen nicht nur wegen eines Verstoßes gegen § 75 Abs. 2 BetrVG, sondern auch mangels Regelungskompetenz der Betriebsparteien für unrechtmäßig hält (Eylert, AuR 2022, 292, (293)).

 

Denn Arbeitnehmer*innen kann man nicht zumuten, gegen ihren Willen – oder im Fall einer Betriebsvereinbarung vielmehr ohne ausdrückliches Einverständnis – außerhalb der Betriebsstätte zu arbeiten. Insbesondere nicht in ihrer grundrechtlich geschützten Privatwohnung, die einen Ort der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit darstellt. Insofern muss man streng unterscheiden zwischen betrieblichen Regelungen, welche den Arbeitnehmer*innen lediglich ein Recht auf mobile Arbeit einräumen und solchen Regelungen, die sie hierzu verpflichten.

 

Ein Initiativrecht zur Einführung mobiler Arbeit wäre nur mit § 75 BetrVG vereinbar und überhaupt sinnvoll, wenn dies auf ein Recht zu mobiler Arbeit beschränkt wäre. Das Argument, ob und in welchem Umfang mobile Arbeit möglich ist, sei eine Frage des Individualarbeitsrechts, verfängt nur insofern, als dass der Arbeitgeber Arbeitnehmer*innen nicht ohne individuelle Zustimmung durch Betriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit (insb. zu Homeoffice) verpflichten kann. Die Einräumung eines Rechts bzw. der Möglichkeit, mobil zu arbeiten, ist hingegen nicht nur eine Frage des Individualarbeitsrechts. Denn sie betrifft die innerbetriebliche Verteilungsgerechtigkeit und kann Einfluss auf das Zusammenwirken der Arbeitnehmer*innen im Betrieb haben.

 

Ausblick

 

Die Erweiterung der Mitbestimmung auf die Einführung mobiler Arbeit könnte sowohl größtmögliche Transparenz als auch innerbetriebliche Verteilungsgerechtigkeit erreichen. Freilich darf die Erweiterung der Mitbestimmung nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer*innen gegen ihren Willen dazu verpflichtet werden, mobil zu arbeiten.

 

Dies wäre nicht mit den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern der Arbeitnehmer*innen  nach Art. 2 Abs. 1; Art. 13 GG vereinbar. Dies verstieße gegen § 75 Abs. 1, 2 S. 1 BetrVG. Unvereinbar wäre es auch mit Sinn und Zweck betrieblicher Mitbestimmung.

 

Die Mitwirkung betrieblicher Interessenvertreter*innen stellt sicher, dass mobile Arbeit als familien- und gleichstellungspolitisches Tool möglich ist. Davon profitieren Arbeitnehmer*innen, die sich dies wünschen und deren Tätigkeit sich hierfür eignet.