von Micha Heilmann
Der praktische Erfolg der Betriebsratsarbeit bei der Vertretung der Interessen der Beschäftigten hängt nicht nur, aber auch von den Arbeitsgrundlagen und Arbeitsbedingungen des Betriebsrats und seiner Mitglieder ab.
Gerade in kleineren Betrieben geraten Betriebsräte, die nicht von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt sind, in einen praktischen Konflikt zwischen Erfüllung ihrer Aufgaben im Beruf und der Arbeit als Betriebsrat. Maßgeblicher Grund hierfür ist, dass Arbeitgeber i.d.R. nicht für eine ausreichende Vertretung des Betriebsratsmitglieds in der beruflichen Tätigkeit sorgen, wenn die Arbeitnehmer*in die Aufgaben im Betriebsrat wahrnimmt.
Ohne ausreichende Vertretung kann die Arbeitnehmer*in oft weder den beruflichen Anforderungen noch den Anforderungen im jeweils gebotenen Umfang gerecht werden. Dieser Konflikt lässt sich über eine am einfachsten und sichersten durch eine Ausweitung der Regelung zur Freistellung von der beruflichen Arbeit lösen. Daher sieht der DGB-Entwurf (§ 38 Abs. 1 BetrVG) vor, dass Freistellungen schon in Betrieben ab 100 Arbeitnehmer*innen möglich sein sollen. Derzeit liegt die Grenze bei 200 Arbeitnehmer*innen.
In Betrieben mit weniger als 100 Arbeitnehmer*innen sollen, so § 38 Abs. 1 a DGB-Entwurf, Teilfreistellungen möglich sein. Diese Regelungen würden in der Praxis dazu führen, dass Arbeitgeber für entsprechendes Vertretungspersonal sorgen müssten. Der Konflikt wäre gelöst.
Da hat der BR schon genügend Möglichkeiten über §92 BetrVG und dem BAG Urteil BAG, Beschluß vom 27.6.1990 – 7 ABR 43/89 – Arbeitsentlastung wegen Betriebsratstätigkeit Leitsatz: Die Freistellungspflicht des Arbeitgebers nach § 37 Abs. 2 BetrVG erschöpft sich nicht darin, den Betriebsratsmitgliedern die zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderliche freie Zeit zu gewähren. Auch bei der Zuteilung des Arbeitspensums muß der Arbeitgeber auf die Inanspruchnahme des Betriebsratsmitglieds durch Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit angemessen Rücksicht nehmen.
Viel wichtiger wäre ein Übernahmeanspruch befristet Beschäftigter analog §78a BetrVG
Den Übernahmeanspruch sieht der Entwurf zusätzlich vor: https://aur-blog.eu/reformvorschlag/#78a_Schutz_von_Auszubildenden_in_besonderen_Fallen_und_von_befristet_im_Betrieb_tatigen_Personen
Und zum ersten Punkt: Der Hinweis auf das Urteil ist richtig, trotzdem wird die vom BAG geforderte Rücksicht nicht immer genommen. Einen effektiven Schutz bietet deshalb nur eine echte Freistellung.
Es geht doch hier auch um den Freizeitausgleich für verrichtete Betriebsratsarbeit. Jedesmal eine erhebliche Herausforderung etwas zu bekommen. Und geht das nicht verschwinden die Zeiten auf dem Jahresarbeitszeitkonto und werden vom AG verplant.
Und kurzfristige Freistellungen kollidieren doch oft mit betrieblichen Belangen.
Das wäre super
Zur Teilfreistellung (der neu eingeführte § 38 (1a)): Ich bezweifle, ob das wirklich eine Verbesserung ist. § 37 (2) eröffnet doch schon alle Möglichkeiten, damit man als nicht-freigestellter BR in einem Umfang von der beruflichen Tätigkeit befreit wird, der im eigenen Ermessen liegt. Der Begriff “Teilfreistellung” impliziert, dass dieser Umfang irgendwo < 100% limitiert ist, und führt somit wieder zu Diskussionen mit dem Arbeitgeber.
Dem muss ich teilweise widersprechen. Ich arbeite im Einzelhandel Lebensmittel mit einer MA Zahl von 130. Also nur Freistellung mit Sachbezug und ewige Diskussion mit AG und der macht intern Druck auf Belegschaft, um BR Arbeit und Freistellung so klein wie möglich zu halten. Also ist die Absenkung der MA Anzahl von Nöten.
§ 37 Abs. 2 BetrVG betrifft ja nur die Freistellung im konkreten Fall, beispielsweise für BR-Sitzungen. Die Teilfreistellung nach § 38 Abs. 1a wäre eine pauschale Freistellung, genauso wie in den Fällen von Abs. 1. In kleineren Betrieben wäre dann ein Mitglied vielleicht zu ein Halb oder drei Viertel freigestellt (je nach Erforderlichkeit). Dann müsste man in kleineren Betrieben nicht immer über die konkrete Freistellung diskutieren. Denn der Arbeitgeber könnte den Stellenanteil mit einer Vertretung besetzen. Bislang muss der Arbeitgeber rechtlich den Ausfall wegen BR-Tätigkeit zwar auch kompensieren, nur tut er das praktisch eben oft nicht.
§78 (2) regelt das Benachteiligungsverbot für Betriebsräte. Das ist gut. Das Gesetz hält aber keine Antwort bereit, wie Betriebsräte entlohnt werden sollen, wenn sie freigestellt werden und zum Beispiel als Vorsitzende des Betriebsrats sehr verantwortungsvolle Tätigkeiten (unter anderem auch die Beratungstätigkeit gegenüber einer Geschäftsleitung) ausführt.
Wäre jemand hypothetisch unter Mindeslohnkonditionen eingestellt worden, und arbeitet als Vorsitzende/r des Betriebsrats – insbesondere bei großen Unternehmen), ergibt sich eine sehr große Diskrepanz zu vergleichbaren Führungskräften (Teamleiter/Bereichsleiter)
Deshalb sieht der Entwurf in § 37 Abs. 4 folgende neue Regelung vor: Bei der Bemessung des Arbeitsentgeltes und der allgemeinen Zuwendungen sind auch die bei Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen wie auch die auf Dauer wahrgenommenen Aufgaben zu berücksichtigen.
https://aur-blog.eu/reformvorschlag/#37_Ehrenamtliche_Tatigkeit_Arbeitsversaumnis
Wenn jedem BR ein grundsätzlicher Anteil der Arbeitszeit (Sockelfreistellung) für BR-Arbeit zustünde (~10%), gäbe es viele Diskussionen nicht und der AG hat zumindest nach der Wahl schon eine klare Sicht, wie er die Arbeit ggf um organisieren muss. An den weiteren Freistellungsmöglichkeiten würde ich nicht so viel ändern.
Ich bin seit 2002 Betriebsrat in unserem Betrieb und wir sind immer knapp unter 200 Beschäftigte. Der Druck Abteilungsarbeit vs. Betriebsratsarbeit ist enorm.
Egal wieviel man beim §37.2 rausholen kann, es ist immer ein Kampf. Ein klare Regelung mit gestaffeltem Freistellungskontingent muss sein. Man erspart sich Diskussionen mit seinem direkten Vorgesetzten und seinen KollegInnen in der Abteilung.
Es wird viel Druck von den Betriebsräten genommen, weil sie sich auf das Gesetz berufen können, mit einer Mindestfreistellung und den Rest kann man noch immer mit §37.2 bekommen.