Betriebsbegriff
Ein Kollege beklagt die Tatsache, dass das BetrVG einen veralteten „Betriebsbegriff“ zugrunde legt. Was zur Folge habe, dass bei globalen Unternehmen ohne Leitungsmacht und mit unklaren Zuordnungen das Gründen von Interessenvertretungen schwierig und kaum möglich sei. Das Gesetz mache für ihn „die BR-Arbeit zur Hölle“. Auch vor Gericht müssten sie sich rechtfertigen, eine Lösung geben es auch dort nicht.
Die Modernisierung des Betriebsbegriffs (§ 1 BetrVG) ist ein Schwerpunkt des Reform-Vorschlags des DGB. Der Betriebsbegriff wird weiterentwickelt. Ein Betrieb soll als „unterscheidbare Einheit“ definiert werden, die zur Erledigung einer oder mehrerer Aufgaben bestimmt ist und die über eine Gesamtheit von Arbeitnehmer*innen sowie in der Regel über technische Mittel sowie über eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Der Betrieb solle stärker von den Aufgaben des Betriebsrats gedacht werden. Bei der Bestimmung des Betriebs sind – so die Argumentation – die Ausübung der arbeitgeber- und belegschaftsbezogenen Aufgaben des Betriebsrats zu berücksichtigen mit dem Ziel, dass eine umfassende Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte ermöglicht wird.
Insbesondere § 3 BetrVG (abweichende Regelungen für den Betriebsbegriff) wird ausgeweitet, da Arbeitgeber durch die Digitalisierung ihre Organisationseinheiten und Kooperationsformen flexibler gestalten können. Daher sollte es die Möglichkeit geben, durch Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag passgenaue Lösungen für Betriebsräte zu geben. Hier geht es vor allem um die Probleme bei Matrixorganisationen.
Wichtig ist weiter, dass nach § 3 Abs. 6 des Entwurfs Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen nicht einfach durch Organisationsänderungen des Arbeitgebers die Grundlage entzogen werden kann. Im Hinblick auf die fortschreitende Globalisierung werden neben den Europäischen Betriebsräten zusätzliche Lösungen für eine länderübergreifende Zusammenarbeit benötigt. Dies ist in einem neuen § 3a vorgesehen. Damit wird eine gesetzliche Grundlage auch für teilweise bereits bestehende Gremien, wie Weltbetriebsräte, geschaffen.
Weitere Forderungen
Zudem gibt es vereinzelt weitere Forderungen: Betriebsräte müssten noch stärker „ortsflexibel“ oder mobil arbeiten dürfen. Jegliche Kontrolle durch den Arbeitgeber oder nur die Notwendigkeit, diesem gegenüber Rechenschaft abgeben zu müssen, sollte noch expliziter entfallen. Die Regelungen zur Bildung eines Gesamt-Betriebsrats (GBR) sollten auf den Prüfstand gestellt werden, weil dieser oft Mehrarbeit, aber wenig Nutzen brächte.
Ein umfassender Beitrag widmet sich den Konflikten innerhalb der Betriebsratsgremien und fordert, das Gesetz müssen Lösungen schaffen, indem es einen stärkeren Minderheitenschutz im Gremium gewähre. Das Mehrheitsprinzip wird in Frage gestellt, vielmehr sollten auch einzelne Betriebsratsmitglieder – entgegen den Beschlüssen der Mehrheit – beispielsweise Tagesordnungspunkte auf die Agenda der Betriebsratssitzung setzen können.
Es ist wirklich an der Zeit, das BetrVG zu modernisieren. Allerdings sollte auch die Variante beachtet werden, dass Fusionen stattfinden (bspw. bei GenoBanken) und bestehende BR-Gremien die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrates ver- bzw. behindern. In Folge von Fusionen werden die Unternehmensorganisation i.d.R. vereinheitlicht. Sämtliche Bereiche/Abteilungen werden eins und dennoch findet kein Zusammenschluss der BR-Gremien statt – zum Nachteil der Beschäftigten. Oft wird dann BetrVG § 4 (1) Abs. 1 herangezogen. Solch ein Missbrauch durch Betriebsräte, denen es oft nur um ihre “Posten” geht, sollte soweit möglich, ebenso verhindert werden. Es ist nicht immer die Unternehmensleitung, die gute Betriebsrat erschwert.
Ich finde, dies ist zu kurz gedacht.
Der AG kann eine Feststellungsklage anstrengen, ob ein einheitlicher Betrieb gegeben ist.
Dann, wenn er recht bekäme, wäre bei der nächsten Wahl, ein Betriebsrat zu wählen.
Hat der AG bei uns versucht.
Wir (Chemie) haben aber auch vor dem BAG recht bekommen, dass ein eigenständiger BR rechtens ist.
Wir (unser Standort) wären in einem gemeinsamen Betriebsrat wahrscheinlich überhaupt nicht mehr vertreten worden, da das Zahlenverhältnis Mitarbeiter ca. 10:1 war. Wir haben aber über 50 Jahre BetrVG mehrere dutzend Regelungen, die der andere BR nicht kennt und auch nicht nachvollziehen könnte, die damit von heute auf morgen obsolet wären. Dem AG hätte es gefallen.
Wenn der AG nicht mit leeren Händen kommt bei Verhandlungen, dann wird auch der zweite BR keinen guten Regelungen absagen.
Aber wie gesagt, es besteht die Möglichkeit dies gerichtlich klären zu lassen.
Kann man bei dem Reformvorschlag für das BetrVG vielleicht an einigen Stellen noch Erläuterungen hinzufügen, warum man die jeweilige Lösung vorschlägt? Ich habe gelesen, dass die Anrufung der Einigungsstelle bei Mitbestimmungsrechten nach §87 gestrichen werden soll. Was ist hier der Hintergrund?
Die Einigungsstelle ist in unserem Entwurf in § 74a Abs. 1 geregelt. Sie ist also nicht gestrichen. Im Gegenteil ist ihre Bedeutung mit der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte, z.B. in strategischen Fragen des Betriebs wie in § 92 und § 92a, deutlich ausgebaut.
Thomas Klebe
Danke. Ich hab mir sowas schon gedacht, aber an der falschen Stelle danach gesucht. Hab das im §76 gesucht.