von Dr. Thomas Klebe
Es ist häufig beschrieben, wie drastisch sich die Rahmenbedingungen für Betriebsräte seit 1972/2001 verändert haben, wie sprunghaft die Anforderungen an ihre Arbeit gestiegen sind. Trotzdem hat der Gesetzgeber ihre Handlungsbedingungen bekanntlich nicht wirklich verbessert, obwohl dies überfällig ist.
Die Weimarer Verfassung garantierte betriebliche Mitbestimmung
Aufschlussreich ist ein Blick in die Weimarer Reichsverfassung. Artikel 165 lautete u.a.: „……Die Arbeiter und Angestellten erhalten zur Wahrnehmung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen gesetzliche Vertretungen in Betriebsarbeiterräten…..“. Betriebsräte hatten also Verfassungsrang.
Vielleicht ist es an der Zeit, diese Regelung als Anregung zu verstehen und das Grundgesetz entsprechend zu ergänzen. Dies würde die überaus wichtige Rolle der Betriebsräte anerkennen und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung in und für die Demokratie durchaus gerecht werden.
Vielleicht würde es den zaghaften Gesetzgeber auch zu etwas entschlossenerem Handeln bei einer Modernisierung der Betriebsverfassung ermuntern.
Die Überlegung, den Betriebsräten Verfassungsrang einzuräumen ist völlig richtig und sogar notwendig.
Aufgrund der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, mit einem deutlichen Rückgang der von Betriebsräten vertretenen Arbeitnehmer*innen, könnte man vermuten, dass die Bedeutung der Betriebsräte in den Betrieben abnimmt, da scheinbar kein Interesse an einer demokratisch legitimierten Vertretung besteht.
Aber das Gegenteil ist der Fall.
Tatsächlich fehlt häufig der Mut zur Betriebsratsgründung und zur Kandidatur zum Betriebsrat, da der Druck der Arbeitgeber*innen auf die agierenden Arbeitnehmer*innen in vielen Fällen groß ist und so Existenzängste ausgelöst werden.
Die demokratische Grundordnung zieht sich durch das ganze Leben der Bürger*innen, von der Klassensprecherwahl oder der Wahl zur Schülermitverwaltung, den Wahlen in Vereinen oder bei sonstigen Organisationen, bis zur Bundestags- und Europawahl. Lediglich im Arbeitsleben, das schließlich keinen geringen Teil des menschlichen Daseins ausmacht, bleibt die Demokratie aufgrund von Einschüchterungen und unlauterem Druck durch die Arbeitgeber*innen auf der Strecke.
Dies ist im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat keinesfalls akzeptabel.
Mit der Einräumung des Verfassungsrangs, bei gleichzeitig strafbewehrter Verpflichtung der Arbeitgeber*innen, die Gründung von Betriebsräten aktiv zu fördern und ihre Arbeit zu unterstützen – anstatt sie, wie bislang in der Realität regelmäßig praktiziert, so gut als möglich zu verhindern – könnte auch eine Stärkung des demokratischen Selbstverständnisses der Arbeitnehmerschaft und in der Folge der Bevölkerung insgesamt erreicht werden.