Von Dr. Thomas Klebe
Es stößt auf Interesse und Neugier, wenn man einen Beitrag liest, der gleich zu Beginn kritisiert, dass der Reformentwurf
– nur die Grundkonzeption der bisherigen 102-jährigen Betriebsverfassung fortschreibt,
– damit an der „gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit“ vorbeigeht, weil er keinen „gänzlich neuen Regelungsrahmen“ schafft
und der fordert, das bestehende Beteiligungssystem u.a. um Elemente der „direkten Partizipation der Arbeitnehmer“ zu ergänzen (vgl. Annuß, NZA 22, 694 in der Materialsammlung).
Doch Neugier und Freude am Denken sind verfrüht. Leider fehlt es anschließend an interessanten eigenen Vorschläge, der Artikel bleibt auf der Meta-Ebene und belegt vor allem, dass der Autor viel liest – allerdings den Entwurf nur sehr unvollständig.
Schade, es hätte interessant werden können.
Deshalb einige Anmerkungen zur Partizipation der Beschäftigten, die der Entwurf deutlich stärkt, was Annuß aber offenbar verborgen bleibt:
- In § 81 Abs. 5 ist eine sogenannte Demokratiezeit vorgesehen. Die Beschäftigten sind mindestens eine Stunde pro Woche zur Erörterung ihrer Beteiligungsrechte (§ 81 Abs. 1-4) von der Arbeit freizustellen. Solche Regelungen haben sich z.B. in der Gruppenarbeit bewährt und stärken die Individuen.
- Das Recht auf freie Meinungsäußerung der Beschäftigten wird in § 82a ebenso gestärkt, wie das Beschwerderecht in §§ 84 und 85. Die Meinungsäußerung kann auch außerbetrieblich erforderlich sein, über die Beschwerde und ggfs. deren Abhilfe kann die Einigungsstelle verbindlich entscheiden. Der Rechtsweg nach anderen Vorschriften bleibt selbstverständlich erhalten.
- Das Quorum für Betriebsversammlungen auf Wunsch der Beschäftigten wird von 25 auf 15% gesenkt (§ 43 Abs. 3), die Durchsetzung also einfacher.
- Die Beteiligung von sachkundigen Beschäftigten an der Arbeit des Betriebsrats wird erleichtert (§ 80 Abs. 2).
- Klargestellt wird, dass Betriebsrat und Gewerkschaft die Beschäftigten zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben befragen können (§ 80 Abs. 3), auch eine Form der Beteiligung.
Das sind alles Elemente, die die individuellen Rechte, die Mitbestimmung am Arbeitsplatz, deutlich stärken. Und das ist nach allen Untersuchungen ein wichtiger demokratischer Baustein: Beschäftigte, die im Betrieb erfahren, dass sie die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, individuell und über den Betriebsrat mitgestalten können, haben auch ein positiveres Verhältnis zur gesellschaftlichen Demokratie.
So viel zu Fragen der Partizipation.
Ein völlig neues System von Beteiligung schien im Übrigen den Verfasser*innen des Entwurfs nicht erforderlich. Ihre Absicht war, das Betriebsverfassungsgesetz, das sich in vieler Hinsicht bewährt hat, nach 50 Jahren weitgehenden Stillstands für Entwicklungen wie Transformation, Digitalisierung, Globalisierung, gesellschaftlichen Wertewandel und Umwelterhaltung fortzuschreiben und damit die Absicht der Mitbestimmung, die Beschäftigten auf Augenhöhe an den sie betreffenden betrieblichen Fragen zu beteiligen, zu erhalten.
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